ITALIEN- SCHWEIZ
NACH ABSCHAFFUNG DER STEUERPRIVILEGIEN IN DER SCHWEIZ: GRÜNES LICHT VON ITALIEN FÜR DIE ANWENDUNG DER MUTTER-TOCHTER-REGELUNG AUCH AUF DIVIDENDEN AN EINE CH-HOLDING
Mailand, den 10. März 2021
Es ist schon fast 16 Jahre her, dass das CH-EU-Zinsbesteuerungsabkommen (ZBStA) vom 26.10.2004 im Verhältnis Schweiz/Italien in Kraft getreten ist (am 1.7.2005). Im Art. 15, Abs. 1 enthält dieses Abkommen für Dividenden eine der EU-Mutter-Tochter/Richtlinie gleichwertige Regelung (und im Art. 15, Abs. 2 für Lizenzgebühren und Zinsen eine der Zins/Lizenz-Richtlinie 2003/48/EG gleichwertige Regelung). Dieses Abkommen wurde dann durch das Änderungsprotokoll (veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union vom 19.12.2015) ersetzt und die Bestimmungen des Art. 15 ZBStA wurden im Art. 9 des Änderungsprotokolls übernommen. In bezug auf die Dividendenbesteuerung bei verbundenen Kapitalgesellschaften bestimmte Art. 15, Abs. 1 (heute Art. 9, Abs. 1 des Änderungsprotokolls), dass Dividendenzahlungen von Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften im Quellenstaat nicht besteuert werden, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:
- die Muttergesellschaft hält mindestens zwei Jahre lang eine direkte Beteiligung von mindestens 25% am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft, und
- die eine Gesellschaft ist in der EU und die andere Gesellschaft in der Schweiz steuerlich ansässig;
- nach den DBA mit Drittstaaten ist keine der beiden Gesellschaften in einem Drittland steuerlich ansässig;
- beide Gesellschaften unterliegen ohne Befreiung der Körperschaftssteuer und weisen beide die Form einer Kapitalgesellschaft auf.
Nachdem das DBA Italien-Schweiz – im Vergleich zu anderen italienischen DBA’s – auch bei verbundenen Unternehmen eine hohe Besteuerung im Quellenstaat vorsah (und immer noch vorsieht: 15%), stellte die zwischen Italien und der Schweiz eingeführte „Mutter-Tochter-Regelung“ eine große steuerliche Besserung der gegenseitigen Direktinvestitionen in beiden Ländern dar.
In Wirklichkeit, aufgrund der Interpretation der italienischen Finanzverwaltung, kam die Mutter-Tochter/Regelung in den vergangenen Jahren in Italien als Staat der Tochtergesellschaft nur dann zur Anwendung, wenn die CH-Muttergesellschaft nicht in den Genuss von Steuerprivilegien auch nur auf einer der drei Ebenen (Bund, Kanton, Gemeinde) kam. Erst nach erfolgter Abschaffung, durch die Steuerreform in der Schweiz, der Steuerprivilegien auf der Ebene der CH-Gesellschaften ist daher ab 1.1.2020 diese Voraussetzung für die Anwendung der „Mutter-Tochter-Regelung“ in Italien als Quellenstaat auch gegenüber einer Schweizer Holding gegeben, wie aus einer in diesen Tagen veröffentlichten Stellungnahme der italienischen Finanzverwaltung hervorgeht (Stellungnahme Nr. 135 vom 2. März 2021).
Zur Vorgeschichte: die im Art. 15 (Art. 9 Änderungsprotokoll) genannte Bedingung, dass „beide Gesellschaften ohne Befreiung der Körperschaftssteuer unterliegen“, wurde von der italienischen Finanzverwaltung bereits in einem Erlass im Jahre 2007 (vom 10.5.2007 Nr. 93/E) dahingehend interpretiert, die Quellensteuerbefreiung zu verneinen, wenn die Schweizer Muttergesellschaft nicht den ordentlichen Steuern auf allen drei Ebenen (Bund, Kanton und Gemeinde) unterliegt. Die italienische Finanzverwaltung stützte sich dabei auf eine Entscheidung der Europäischen Kommission vom 13.2.2007. Diese Interpretation betraf daher Dividenden, die an Schweizer Gesellschaften mit Holdingprivileg bzw. an andere Gesellschaften mit sog. kantonalem Steuerstatus (Domizil- und gemischte Gesellschaften) ausgeschüttet wurden (während auf Ausschüttungen an „normale“ Schweizer Muttergesellschaften die Mutter-Tochter-Regelung in Italien als Quellenstaat Anwendung finden konnte). Diese einschränkende Interpretation aus italienischer Sicht hat dazu geführt, dass so manche italienische Tochtergesellschaft die laufenden Gewinne seit 2006 nicht an die CH-Muttergesellschaft (z.B. Holding mit Steuerprivileg) ausgeschüttet, sondern den Gewinnrücklagen (Reserven) zugeführt hat (auch weil bei Anwendung des DBA Italien-Schweiz eine hohe Quellensteuer – von 15% – angefallen wäre).
Erst nach weiteren 12 Jahren ergab sich aus italienischer Sicht eine gewisse „Öffnung“. In der Stellungnahme Nr. 57 vom 15.2.2019 wurden einerseits die Aussagen im Erlass von 2007 zwar bestätigt, andererseits aber die Freistellung von der Quellensteuer gewährt, wenn die Schweizer Holding auf die Steuerprivilegien verzichtet hat. Laut Stellungnahme kam es daher auf den steuerlichen Status der Holding (ordentliche Besteuerung auf allen drei Ebenen) im Jahr der Ausschüttung an (bzw. im Jahr der Besteuerung der Dividenden bei der CH-Gesellschaft). Dass die Dividenden selbst, aufgrund eines Schachtelprivilegs oder einer ähnlichen Regelung, von der Steuer befreit waren, spielte dabei keine Rolle.
Die Stellungnahme des Fin. Min. vom 2. März 2021, Nr. 135
Die Stellungnahme vom 2. März 2021, Nr. 135 ist als Antwort auf eine Anfrage (Interpello) der italienischen Tochtergesellschaft formuliert, die in der Anfrage präzisiert, dass sie die in den letzten Jahren thesaurierten Gewinne an die CH-Muttergesellschaft (Holding) ohne Quellenbesteuerung in Italien (im Sinne des Art. 9 Änderungsprotokolls) ausschütten möchte und dass seit 1.1.2020 die Steuerprivilegien auf der Ebene der CH-Holding durch das Gesetz vom 28.9.2018 abgeschafft wurden (weshalb die CH-Holding ab 1.1.2020 nicht mehr in den Genuss eines Steuerprivilegs kommt und daher der Bundessteuer, der Kantonal- und Gemeindesteuer unterliegt). In der Antwort präzisiert das Finanzministerium, dass durch die Abschaffung der Steuerprivilegien in der Schweiz (mit Gesetz vom 28.9.2018 über die Steuerreform) ab 1.1.2020 die genannten Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Dividenden in Italien erfüllt sind. Wie bereits vorher erwähnt, spielt die Steuerbefreiung der Dividende selbst bei der Muttergesellschaft (z.B. im Sinne des „Beteiligungsabzugs“) keine Rolle. Gleichzeitig weist die Stellungnahme aber auch auf die im nationalen Recht verankerten Anti-Missbrauchsbestimmungen im Sinne des Art. 10-bis des Gesetzes Nr. 212/2000 hin, die auch im Rahmen des Abkommens/Änderungsprotokolls im Sinne des Art. 9. Abs. 1 zur Anwendung kommen.
Soweit die Stellungnahme des Finanzministeriums. In bezug auf die technische Abwicklung der Steuerbefreiung in Italien – Entlastung bereits an der Quelle oder Erstattung der einbehaltenen Quellensteuer – , ist zu erwähnen, dass die Entlastung bei internationalen Abkommen bereits an der Quelle erfolgen kann, wenn der italienischen auszahlenden Gesellschaft von der Muttergesellschaft die dazu erforderliche Dokumentation ausgehändigt wird.